Deutschland sehnt sich als Standort für Maschinenbau nach jungen Fachkräften aus dem MINT-Bereich. Inzwischen schließen junge Frauen fast genauso oft ein Studium in Informatik oder Chemie ab, wie ihre männlichen Kollegen. Im Vergleich sind sie in der Branche jedoch seltener vertreten und vor allem in höheren Positionen findet man sie nach wie vor fast gar nicht. Woran hapert es nach über 100 Jahren nach dem Beginn der Gleichberechtigung? Und was kann man dagegen tun?
Letzten Mittwoch startete mit „Justice League“, eine weitere erfolgreiche Comicverfilmung aus dem Hause DC, wo sich die größten Superhelden wie Batman, Superman oder der Flash zu einem Team zusammenschließen und erstmals gemeinsam vor der Kamera stehen. Mit in der Combo ist auch die Amazonin Wonder Woman, die erst im Frühjahr mit ihrem eigenen Kinofilm einen Box-Office-Hit landete. Mit der kämpferischen Dame im sechsköpfigen Superhelden-Team, entspricht dies immerhin einer Frauenquote von knapp 17 Prozent. Leider immer noch viel zu niedrig. Dabei sind große Blockbuster mit Frauen in den Hauptrollen äußerst dünn gesät. Und erst kürzlich wurde Hollywood mit einer Welle von enthüllenden Skandalen um Sexismus von hohen Produzenten wie Harvey Weinstein erschüttert. Dabei findet sich die ungleiche und erniedrigende Behandlung von Frauen nicht nur in der Filmbranche wieder, sondern ist in der gesamten Arbeitswelt verbreitet. Immerhin gibt es langsam ein Umdenken – zumindest in der Theorie.
Über 75 Prozent der befragten amerikanischen CEOs gaben in einer Studie von McKinsey an, dass die berufliche Gleichstellung zwischen Mann und Frau zu den zehn wichtigsten Prioritäten in ihrem Unternehmen zählt. Zugleich stellte eine andere Studie von McKinsey fest, dass Frauen auf allen Ebenen der Unternehmenshierarchie unterrepräsentiert sind: Sie besetzten nur schlappe 37 Prozent der Führungspositionen. Dabei zeigt sich zugleich, dass Unternehmen mit einem überwiegenden Frauenanteil im Schnitt bessere Erträge einfahren.
Ein Bericht von Deloitte hebt hervor, dass es an der Organisation der Unternehmen liegt, die nicht für genügend Diversity sorgen und daher nicht allen Mitarbeitern dieselben Chancen bieten. Dieser Mangel an Unterstützung und Motivation verursacht dabei ein Klima der Unsicherheit, das es Frauen erschwert, Führungspositionen zu erlangen. Anstatt die Diskussion also alleine auf rein geschlechterspezifische Paradigmen zu legen, sollte die Lösung dieses Problems auf die Ebene der Kommunikation und Arbeitsorganisation gesucht werden. Denn der Bericht von Deloitte zeigt auch, dass Unternehmen mit einer starken Förderung des Leadership auch einen hohen Grad an Diversity aufweisen. Frauen haben nämlich nachweislich die passende Bildung und das Rückgrat, um in der Berufswelt durchzustarten. Und die Wirtschaft hat wiederum die Nachfrage und die Kapazitäten, um Frauen auch in hohen Positionen zu integrieren. Was also tun?
Freiräume für Akzeptanz schaffen mittels Monitoring
Bewusstseinsschärfung ist der erste logische Schritt. Daher bieten sich auch für das Thema Diversity Seminare an, die Vorurteile abbauen oder zeigen, wie man menschlichen Konflikten im Betrieb vorbeugen kann. Das bedeutet beispielsweise die gleichen Zugangsvoraussetzungen für Frauen und Männer bei Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Mitarbeiter sollten über ihre Rechte Bescheid wissen, sodass sie sich auf Betriebsvereinbarungen berufen können, die ihre Interessen schützen. Gibt es zum Beispiel einen Gleichstellungsbeauftragten im Unternehmen? Eine Sensibilisierung für die Vermeidung von Geschlechterstereotypen sollte als Ziel angestrebt werden und Diskussionen zu solchen Themen eher angeregt als unterdrückt werden. Der HR fällt dabei die Aufgabe zu, die Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe beider Geschlechter bei der Anpassungsqualifizierung zu begleiten. Dies fängt schon beim Recruiting und der Bezahlung an und zieht sich letztendlich bis in die Nachfolgeplanung. Zwar dürfen Berufe laut Gesetz nicht mehr nur speziell an ein Geschlecht adressiert werden, dennoch ist oft zwischen den Zeilen zu lesen, wen die Geschäftsleitung sich für den Posten wünscht. So lassen sich Frauen von als männlich assoziierten Begriffen in Stellenanzeigen schnell abschrecken. Als typisch männlich gelten dabei z.B. Begriffe wie „durchsetzungsstark“, „analytisch“, „zielstrebig“. Eher weiblich assoziiert sind hingegen „engagiert“, „verantwortungsbewusst“ oder „kontaktfreudig“. Nun könnte man dies als Erbsenzählerei oder Gender-Paranoia bezeichnen, aber leider ist es so, dass die sogenannten männlichen Attribute überproportional im Maschinenbau-, IT- und Managementsektor auftauchen. Die weiblichen Attribute dagegen vermehrt im Pflege- und Gesundheitssektor, sowie bei Ausschreibungen von Sekretariatsstellen. Hier ließe sich schon früh ansetzen, denn der Teufel steckt im Detail. Immerhin gibt es in der Schule mit dem „Girl’s Day“ schon eine Veranstaltung, die Mädchen auch für eher männliche Berufe begeistern soll – und damit es wirklich fair zugeht gibt es seit 2011 auch einen „Boy’s Day“, der männliche Klischees schon bei den Jungs aufbrechen und ganz bewusst nicht in Konkurrenz zum „Girls Day“ treten soll. Wäre so etwas nicht auch was für die Unternehmenswelt?
Eileen Scully, Gründerin von „The Rising Tides“, ist zum Beispiel überzeugt von dem starken Einfluss der richtigen Learning-Seminare. Allerdings ist hier nicht nur die Belegschaft gefragt, sondern auch das Management. Denn häufig sind sie es, die mit Vorurteilen an Frauen herantreten und gleichzeitig die Strategie des Unternehmens vorgeben. Schwangerschaft und z.T. sogar noch Heirat gelten als Karriere-Killer. Dass diese Einstellungen sich ändert, wird sicherlich nicht von heute auf morgen gehen.
Daher muss es das Ziel der Unternehmen sein, eine integrative Unternehmenskultur zu schaffen, da so Integrität und Zusammenhalt in der Belegschaft gefördert werden können. Ein konkreter Weg, um dies zu erfüllen, wäre die Erstellung von Monitoring-Programmen. Scully empfiehlt zum Beispiel eine gezielte Förderung für Frauen, die mehr als zehn Jahre einschlägige Berufserfahrung in der Branche besitzen. Doch um den Fortschritt zu messen, müssen die Ziele für Vielfalt und Integration klar definiert werden. Laut McKinsey möchten zwar die meisten Organisationen mehr Frauen in Führungspositionen sehen, doch nur 44 Prozent haben klar definierte Ziele für ihre Diversity-Programme.
Frauenquote: Lösung oder Teufelskreis?
Dennoch zeigen diese Schritte, dass man von einer richtigen Gleichberechtigung noch weit entfernt ist, denn alles zielt auf eine Frauenquote ab. Das bedeutet jedoch nichts anderes als das Unternehmen immer noch praktisch dazu gezwungen werden müssen mehr Frauen einzustellen; was wiederum eine indirekte Diskriminierung für Männer darstellt. Dies führt bei einigen Thronfolgern in der männlichen Dynastie zu Neid und Angst gegenüber Karrierefrauen, weswegen sie diese behindern werden. Handelt es sich mit der Frauenquote also eher um eine Lösung oder einen Teufelskreis? Vielleicht sollte der Ansatz eher in die Richtung laufen, warum es wichtig ist auch genügend Frauen in Führungspositionen zu haben.
Leider ist es nämlich heutzutage immer noch so, dass viele Frauen trotz gleicher oder sogar besserer Qualifikation gar nicht erst bis zu einer Position vorrücken können, wo sie in einen Vorstand gewählt oder überhaupt in eine höhere Managerposition vorrücken können. Denn immer noch müssen sich Frauen im 21. Jahrhundert zwischen Beruf und Familie entscheiden – besonders in Deutschland. Tatsächlich gibt es nur wenige Frauen in hohen Führungspositionen. Und von den wenigen haben nochmal viel weniger überhaupt Kinder. So verzeichnen die baltischen Staaten (Lettland, Litauen) mit rund 41 Prozent den höchsten Wert, wo Leitungspositionen in weiblicher Hand waren. Bei den größeren Flächenländern können Frankreich und Irland immerhin mit 39 Prozent punkten. In Deutschland sind dagegen bloß knapp 30 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Männer werden deutlich seltener vor diese Wahl gestellt; Karriere und Familie sind bei ihnen aufgrund traditioneller Vorstellungen immer noch leichter zu vereinbaren, da in vielen Fällen ihre Frauen den Haushalt schmeißen. Haben Frauen hingegen Kinder unter drei Jahren, gehen nur 10 Prozent einer Erwerbstätigkeit in Vollzeit nach. Bei Männern liegt der Anteil bei rund 83 Prozent. Selbst jene Frauen, die einen kurzen Break in ihrem Lebenslauf einlegen, um die Kleinsten die ersten Jahre zu begleiten, werden durch diese Lücke ausgebremst. Denn nur die wenigsten Arbeitgeber werten eine Auszeit als Mutter als richtigen Schritt für die Karriere.
„Ich halte meinem Mann den Rücken frei“, ist dann das häufige Statement jener Hausfrauen. Hat man so etwas schon mal von einem Mann gehört? Auf der anderen Seite haben Studien gezeigt, dass viele Frauen sich hier aber unbewusst auch selbst im Weg stehen, denn während Männer kein Problem damit haben, dass ihre Partnerin für Heim und Kinder zuständig ist, können Karrierefrauen sich mit vertauschten Rollen nur schwer arrangieren. Vielleicht mag es noch an unseren Urtrieben liegen oder aber aufgrund der medialen Darstellung in der Gesellschaft (die viele schon von Kindesalter an prägt), aber Frauen können sich in der Regel nur schwer eine Beziehung vorstellen, in der sie komplett Vollzeit arbeiten und ihr Mann zuhause bleibt. Vor allem in konservativen Familien müssen solche Paare sich oft kritischen Fragen stellen, warum der Kerl sich denn keine Arbeit suchen könne und stattdessen seine Frau die Brötchen verdienen lässt. Umgekehrt erleben Männer es häufig auch als persönliche Demütigung, wenn sie unter den Pantoffeln ihrer Frau stehen. Selbst in Internetkontaktbörsen (wo automatisierte Partnervorschläge gemacht werden) wird ein Pfleger nicht mit einer Oberärztin verkuppelt – ein Chefarzt mit einer Krankenschwester hingegen schon. Was sagt dieser Algorithmus über die gegenwärtige Darstellung der Geschlechterrollen aus? Die Thematik ist also nicht so einfach aufzudröseln und geht daher weit über die Arbeitswelt hinaus und ist eng mit unserer Wahrnehmung einer modernen Gesellschaft verflochten.
Gesellschaftliche Wahrnehmung und Unternehmenskultur müssen sich ändern
Statt einer starren Frauenquote müssten Unternehmen jenen gesellschaftlichen Wandel mittragen und ein familienfreundliches Klima schaffen, wo es ist nicht nur darum geht, Frauen zu fördern, sondern allgemein allen Mitarbeitern – unabhängig ihrer Herkunft – nach ihren Fähigkeiten und Skills alle Möglichkeiten offen zu halten. Eine zu starke Zentrierung auf Frauenförderung könnte am Ende die sogenannten Maskulinisten (das aggressive, männliche Pendant zu Feministen) auf den Plan rufen, die um die Stellung der Männer fürchtet und Frauen dann eher im Weiterkommen ausbremsen wollen. Aber Diversity meint eben auch nicht, dass man eine Gruppe im Unternehmen bevorzugt behandelt. Für eine faire Behandlung kann man ironischerweise sogar genau den umgekehrten Weg gehen. So sollten beispielsweise im Fall von Beruf und Familie gerade Männer dazu ermutigt werden, ihre Elternzeit in Anspruch zu nehmen, weil nach wie vor eher die Frau zurücksteckt, wie bereits oben erwähnt. Auf diese Weise kann man auch indirekt Frauen fördern, ohne dass Männer sich benachteiligt fühlen müssen. Und einen positiven Nebeneffekt hat das Ganze obendrein auch noch. Denn wenn die Väter zuhause bleiben, wird dies Eindruck auf die Kinder machen und sie entsprechend prägen, damit sie es später im Erwachsenenalter besser wissen. So wüchse eine Generation heran, für die es selbstverständlich ist, dass Frauen im Beruf die gleichen Chancen wie Männer haben. Durch diese verstärkte Förderung könnte es in einer hoffentlich nicht mehr allzu fernen Zukunft dazu führen, dass auch eine Frau die Hauptverdienerin in der Familie sein kann, ohne als Rabenmutter abgestempelt zu werden und Hausmänner keine mitleidigen Blicke mehr zu befürchten haben.
Neben dem bereits abgesegneten „Wonder Woman 2“ wird es immerhin mit „Captain Marvel“ 2019 einen weiteren Streifen mit einer Superheldin geben. So wird es langsam auch auf der großen Leinwand vielleicht nach und nach zur Selbstverständlichkeit, dass auch mal Frauen die Welt retten können. In den Comicvorlagen wurde der Frauenanteil schon deutlich erhöht. So schlüpft ein junges Mädchen als Nachfolgerin Tony Starks in die Rüstung des titelgebenden Actionhelden „Iron Man“ – und nein, sie heißt daraufhin nicht Iron Maiden.