Blogbeitrag

DIE Regelung für Regelschmerzen bei der Arbeit (Teil II)

Cassandra Panzcuk

Talent Operations Coordinator, Cornerstone OnDemand

Wir haben die provokante Frage gestellt: Sollte es in Unternehmen eine sogenannte „Menstrual Leave Policy“ geben? Also eine Regelung, die es Frauen ermöglicht, sich ohne Sanktionen, ohne Druck und ohne schlechtes Gewissen bei Regelschmerzen krank zu melden? Alles scheint dafür zu sprechen. Doch ganz so einfach ist es leider nicht. Denn – so ironisch es auch klingen mag – solch eine Arbeitspolitik kann sich vielleicht langfristig sogar negativ auf die berufliche Emanzipation der Frau auswirken. Was es zu befürchten und daher vorher sorgsam abzuwägen gilt, wollen wir hier erläutern.

In unserem letzten Blogbeitrag haben wir uns intensiv mit einem Tabuthema in der Arbeitswelt auseinandergesetzt: Wie können Frauen mit Regelschmerzen in ihrer Karriere umgehen? Wie kann man eine Unternehmenskultur etablieren, die Mitarbeiterinnen die Verpflichtung abnimmt, sich nicht krankzumelden, sondern mit Schmerzmitteln ins Büro zu kommen? Brauchen wir eine „Menstrual Leave Policy“ um alte Denkstrukturen aufzubrechen? Im ersten Teil zu diesem Thema haben wir bereits aufgezählt, warum solch eine Richtlinie auf vielen verschiedenen Ebenen gut funktioniert. Fairerweise muss man natürlich aber auch die Gegenseite zu Wort kommen lassen. Daher beschäftigen wir uns diesmal mit den Contra-Argumenten …

Was spricht gegen die Einführung einer „Menstrual Leave Policy“?

Zunächst stellt eine solche Richtlinie einen Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeiterinnen dar. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei der Monatsblutung schließlich um einen höchst privaten und intimen Aspekt einer Frau. Eine entsprechende Regelung würde zwangsläufig Einblick in den Menstruationszyklus der Mitarbeiterinnen geben und man müsste sich schon fragen, ob man wirklich möchte, dass der Arbeitgeber davon Kenntnis hätte, wann jede Mitarbeiterin im Unternehmen ihre Periode hätte. Denn so wie es das Arbeitsklima sensibler und aufgeschlossener gestalten kann, so könnte eine „Menstrual Leave Policy“ auch Vorurteile und eine gewisse „Neidkultur“ befeuern, in deren Ausprägung die Frauen vermeintlich einen Tag mehr „Urlaub“ im Monat zugesprochen bekäme – schließlich gäbe es kein männliches Pendant dazu.

Bei dieser Diskussion kommt man auch nicht um das Thema „Gender Wage Gap“ herum. Eine solche Freistellungsregelung könnte nämlich zu einer erhöhten Anzahl an Krankheitstagen bei Frauen führen, die wiederum dem Berufswerdegang bzw. der Karriere schaden könnte und letzten Endes auch dazu beitrüge, dass die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen noch weiter auseinanderklaffte. Erstens könnte der Arbeitgeber aufgrund der vermehrten Fehltage eine niedrigere Entlohnung im Vergleich zu Männern rechtfertigen. Zweitens könnte die geringere Anzahl an Arbeitstagen auch im Bewerbungsverfahren oder bei einer bevorstehenden Beförderungsmöglichkeit die Voreingenommenheit potenzieller bzw. aktueller Arbeitgeber bestärken. Beide Faktoren würden dazu führen, dass Frauen am Ende des Tages entweder für gleiche Arbeit weniger verdienen oder zunehmend aus Führungspositionen verschwinden.

Zuletzt könnte eine solch offensichtliche Ungleichbehandlung der Geschlechter auch negative gesellschaftliche Konsequenzen mit sich bringen. Zum einen ist nicht außer Acht zu lassen, dass eine solche Maßnahme gegen die Bewegung der Geschlechtergleichheit ginge und den bisher schwer erkämpften Fortschritt negativ beeinflussen könnte. Eine Freistellungsregelung extra für Frauen steht klar im Gegensatz zur „Gender Equality“. Das wiederum könnte als Diskriminierung der Männer angesehen werden und zu einer Gegenhaltung im öffentlichen Diskurs führen, ähnlich der diskutierten Frauenquote. Leider könnten hierdurch jahrzehntealte Vorurteile, Frauen seien durch die Menstruation arbeitsunfähig(er) und würden daher das schwächere Geschlecht darstellen, bestärkt und an weitere Generationen vermittelt werden. Dies würde jede (menstruierende) Frau wieder als krank und schwach verdammen – eine Ansicht, die eher dem Mittelalter, anstatt dem 21. Jahrhundert entspricht.

Wie zu erkennen ist, gibt es gute Gründe sowohl für als auch gegen eine solche Regelung. Grundsätzlich darf man natürlich nicht außer Acht lassen, dass Frauen und Männer nun mal biologisch unterschiedlich sind und sich daher naturgemäß auch unterschiedliche Bedürfnisse im und für den Arbeitsalltag ergeben können. Daher ist es essenziell, die individuellen Unterschiede der Angestellten wahrzunehmen und dass Arbeitgeber versuchen, diese weitestgehend zu berücksichtigen. Die größte Herausforderung, aber auch der vielversprechendste Lösungsansatz bestehen darin, Regelungen zu finden, die Frauen gegenüber Männern und umgekehrt in der Arbeitswelt nicht benachteiligen.

Um Regelschmerzen mit dem beruflichen Alltag einer Frau zu verbinden, sollte ein hohes Maß an Flexibilität im Unternehmen gewährleistet sein – räumliche sowie zeitliche Flexibilität. Damit eine solche Regelung keine Einbahnstraße für nur weibliche Angestellte darstellt, sollten Arbeitgeber als mögliche Alternative zu einer „Menstruation Leave Policy“ eher eine allgemeine und flexible Abwesenheits-Richtlinie für Männer und Frauen zugleich schaffen. Die Arbeitsplatzrichtlinie könnte beispielsweise vorsehen, dass Mitarbeiter mehr von zu Hause aus arbeiten oder das Büro in unterschiedliche Zonen eingeteilt wird, mit Plätzen für einen ruhigen Arbeitsplatz, falls Angestellte für eine bestimmte Zeit konzentriert arbeiten wollen oder einfach ungestört sein möchten, da sie sich unwohl fühlen.

Der Schlüssel besteht darin, Arbeitsplätze so zu verändern, dass sie auf verschiedenste Arbeitnehmer und deren unterschiedliche Bedürfnisse eingehen und sie dafür sensibilisieren – neugewordene Eltern, stillende Mütter oder Menschen, die ihre Eltern selbst pflegen etc. Arbeitnehmer sollten Arbeitszeiten flexibel gestalten können, sowie die Orte und Räume, an denen Sie arbeiten. Somit kann Platz für alle unterschiedlichen Menschen in verschiedensten Lebenssituationen geschaffen werden. Geschäftshandys, Arbeits-Laptops oder sog. „Flying Desks“ stellen hier einige Alternativen dar, mit denen man gerade heutzutage (Digitalisierung, Globalisierung etc.) den Herausforderungen des Alltags besser gerecht wird, als der statische und klassische „nine-to-five“ Arbeitsplatz des letzten Jahrhunderts.

Zudem sollte das Arbeitsumfeld seine Mitarbeiter in einer Form bestärken, dass, wenn jemand Schmerzen hat – gleich welcher Art – dieser ermutigt wird, nach Hause zu gehen und sich um sein Wohlbefinden bemüht. Burn-out-Beschwerden können schließlich in jedem Beruf und auch ohne erkennbaren äußeren Arbeitsstress entstehen. Zudem sollte auch mehr Wert auf gegenseitiges Vertrauen zwischen Arbeitergeber, sowie Arbeitnehmer gelegt werden – ein kranker Mitarbeiter sollte sich bei Unwohlsein daheim erholen können, unter dem gegenseitigen Verständnis, dass die Arbeit am späteren oder folgenden Tag nachgeholt wird und Fristen eingehalten werden.

Allerdings lässt sich das Konzept nicht in allen Branchen und Berufsfeldern so einfach umsetzen, jedoch besteht die Aufgabe der Unternehmen darin, zeitgemäße Lösungen zu finden, die sich den aktuellen Anforderungen der gesamten Belegschaft anpassenund starre Wege kreativ zu überdenken. Vielleicht wäre eine solche Freistellungsregelung für Frauen hierbei nicht unbedingt die endgültige Lösung, sondern ein weiterer Denkanstoß in die richtige Richtung …

Um Unternehmen zur Aktion aufzufordern und Veränderungen in Bezug auf soziale Normen und geschlechtsspezifische Stereotypen am Arbeitsplatz voranzubringen, ist jede Form von Meinungsaustausch zu solchen Themen notwendig. Dies betrifft nicht nur Frauen mit Regelschmerzen, sondern alle.

Meine Kollegin Emma Weir aus England hat in Ihrem Blog „Menopause at work: Smashing female taboos in the workplace“ drei wichtige Aktionsaufrufe aufgelistet, die auch hier passend sind:

  1. Erfahrungen miteinander teilen – es gehört zum Frausein dazu und ist nichts wofür man sich schämen sollte.
  2. Regelmäßiger Austausch zwischen Frauen z.B. bei eine „Lunch & Learn“ – zusammen Lösungen finden.
  3. Rede Sie mit Ihrem Vorgesetzten – erklären Sie ihm die Situation und helfen Sie ihm Sie selbst zu unterstützen.

Wie seht ihr das? Könntet ihr euch so ein Modell/Konzept in eurem Unternehmen mit eurem Arbeitsalltag/Aufgabenfeld vorstellen?

Ressourcen zu diesem Thema

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