Blogbeitrag

DIE Regelung für Regelschmerzen bei der Arbeit (Teil I)

Cassandra Panzcuk

Talent Operations Coordinator, Cornerstone OnDemand

Wenn Frauen unter starken Regelschmerzen leiden, sollte das eigentlich Grund genug sein, um sich krankzumelden. Doch häufig werden aus Scham Ausreden für die Beschwerden genannt – oder schlimmer: Frauen schlucken Schmerztabletten und kommen dennoch ins Büro. Aber warum muss das so sein? Wie kann man den beruflichen und gesellschaftlichen Druck von diesem sensiblen Thema nehmen? Sollte es in Unternehmen Regeln für den Umgang mit der Regel geben?

Es ist drei Uhr morgens und sie wird von immer stärker werdenden Unterleibskrämpfen geweckt – schnell greift sie zu ihren Schmerzmitteln, da sie den Ursprung des Schmerzes inzwischen schon genau kennt. Es ist wieder diese Zeit im Monat, in der Schüttelfrost, Kreislaufprobleme, Rücken- und starke Menstruationsschmerzen ihren Alltag begleiten. Mitten in der Nacht kreisen ihre Gedanken schon um die Arbeit am nächsten Tag – welche Termine stehen morgen an? Wie kann ich den Arbeitstag morgen bewältigen? Wie soll ich es meinem Chef sagen? Mit Schmerzmitteln den Tag irgendwie überstehen oder lieber krankmelden? Der Stress, der zusätzlich durch dieses Fragen-Chaos ausgelöst wird, trägt selbstverständlich nicht zur Linderung ihrer Beschwerden bei – im Gegenteil, er verschlimmert die Situation nur. Wäre es nicht ein Traum, sich als Frau hierüber keine Sorgen machen zu müssen, sondern zu wissen, dass der Arbeitergeber hierfür Verständnis hat und Frauen sich deshalb den Tag freinehmen können? Oder wäre das eher ein gesellschaftlicher Alptraum …

Periodenschmerzen – ein Tabu-Thema, das in den letzten Jahren weltweit immer wieder zu einer kontroversen Debatte führte und das man auch heutzutage nicht offen in der Arbeit ansprechen kann oder gar möchte. Die Regel einer Frau wird aufgrund ihrer privaten, intimen und sexuellen Komponente im Arbeitsalltag weiterhin ausgeblendet oder gar ignoriert, findet daher kaum offenen Diskurs und Akzeptanz. Laut einer Studie (2012) leiden 20 Prozent aller Frauen unter so starken Regelschmerzen, dass sie ihren normalen Alltag kaum bewältigen können, da dieser von Symptomen wie Bein- und Rückenschmerzen, Krämpfen, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Durchfall oder allgemeinem Unwohlsein bestimmt wird. Eine potenzielle Lösung, die in der heutigen Arbeitswelt auch immer häufiger angewandt wird, stellt die „Menstrual Leave Policy“ von Unternehmen dar. Hierbei handelt es sich um eine Freistellungsregelung, nach der Frauen bei starken Regelschmerzen während ihrer Periode einen bezahlten Tag frei nehmen können, ohne die ihnen zustehenden Krankheits- oder Urlaubstage beanspruchen zu müssen.

In Ländern wie Japan, Taiwan, Indonesien, Südkorea, Australien und Sambia werden solche Regelungen in der Unternehmenspraxis bereits durchgeführt. So wird beispielsweise in Japan bereits seit 1947 eine „Menstrual Leave Policy“ angeboten, jedoch findet diese aufgrund des gesellschaftlichen Drucks zunehmend weniger Anwendung. Südkorea gewährt Frauen seit 2001 diese Art der Freistellung, doch erfahren die Unternehmen auch hier starke Kritik seitens der Männer, die darin eine Form der (Gegen-)Diskriminierung sehen. Frauen in Indonesien haben sogar Anspruch auf zwei Tage Freistellung aufgrund von Regelschmerzen, allerdings wird die Regelung kaum durchgesetzt.

Daher bleibt die Frage weiterhin offen: Handelt es sich bei der Freistellungsregelung um eine medizinische Notwendigkeit oder stellt diese eher eine diskriminierende Maßnahme gegenüber anderen bzw. männlichen Mitarbeitern dar? Ist die Kritik berechtigt oder könnte eine solche Maßnahme vielleicht zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit, einem besseren Arbeitsklima und letzten Endes sogar zu einer gesteigerten Produktivität von weiblichen Mitarbeitern führen?

Für eine Einführung einer solchen Unternehmensrichtlinie spricht Folgendes:

Wie oben beschrieben werden starke Regelschmerzen oft von einer Reihe unangenehmer Symptome begleitet, welche direkten Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit, Belastbarkeit und Produktivität haben. Nicht selten wirken sich die Symptome so stark und so ähnlich aus, wie bei anderen Krankheitsbildern, etwa einer Lebensmittelvergiftung oder einer starken Erkältung, die ein produktives und effektives Arbeiten unmöglich machen. Bei den letztgenannten Fällen würden die meisten Mitarbeiter nicht zögern, sondern im Bett bleiben und sich auskurieren. Da es sich bei stark ausgeprägten Regelschmerzen jedoch bei vielen Frauen um ein wiederkehrendes Phänomen handelt, werden sie oft unterschätzt bzw. verharmlost und eher als „Anfälligkeit“ wahrgenommen anstatt als ein Zustand tatsächlicher Erkrankung. Das führt dazu, dass Frauen oft Scham oder ein schlechtes Gewissen verspüren und trotz Schmerzen und einem de facto „Kranksein“ zur Arbeit gehen und nur bei „echter“ Erkrankung daheimbleiben. Das wiederum wirkt sich negativ auf den Arbeitserfolg aus – oder wie produktiv wären Sie mit den Symptomen einer starken Erkältung?

Eine gesonderte Regelung würde an dieser Stelle den Auswirkungen starker Periodenschmerzen mehr Rechnung tragen (man müsste die Periode nicht mehr mit anderen Krankheiten vergleichen, um sie zu rechtfertigen) und Frauen dazu ermutigen, auch bei Regelschmerzen einen Tag daheim zu bleiben und sich richtig auszukurieren, anstatt drei Tage auf Schmerzmittel im Büro zu setzen. Zudem würde es auch zu mehr Transparenz führen, warum die Mitarbeiterin tatsächlich fehlt und beim Vorgesetzten entstünde nicht der Eindruck, dass die Mitarbeiterin ständig krank sei. Man könnte klar differenzieren und es käme nicht zu (un)bewussten Vorurteilen aufgrund von lediglich als „krankheitsbedingt“ beschriebener Fehltage.

Ein weiterer Grund für die Einführung einer solchen Freistellungsregelung wäre, dass betroffene Frauen dann den Freiraum hätten, sich auch für holistische Wege der Schmerztherapie zu entscheiden, statt der reinen Symptombekämpfung durch Schmerzmittel.
Frauen hätten die Möglichkeit sich für alternative Schmerzbekämpfungsmethoden wie Yoga, Meditation, spezielle Ernährung (Fastenkur), Sport usw. zu entscheiden, was zu einer Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens führen und sich somit auch positiv auf den übrigen Alltag auswirken könnte, was wiederum die Produktivität selbst an den „gesunden“ Tagen erhöhen könnte. Nicht umsonst haben viele Unternehmen unlängst erkannt, dass sie eine Mitverantwortung am Wohlbefinden ihrer Arbeitnehmer haben und dass zufriedenere und ausgeglichenere Mitarbeiter am Ende auch „bessere“ Mitarbeiter sind, Stichwort: Work-Life-Balance!

Eine weitere wichtige Rolle spielt die psychische Komponente. Wie bereits bekannt ist, haben Rauchen und Alkohol einen direkten Einfluss auf die Regelschmerzen, jedoch können sich auch Stress oder psychische Belastungen negativ auf die Periodenbeschwerden auswirken und diese sogar verstärken. Diesem zusätzlichen Faktor könnte man mit einer solchen Regelung entgegenwirken: Würden Frauen bei starken Periodenschmerzen ungezwungen einen Tag freinehmen können, so würden sie nicht länger mit Selbstvorwürfen zu kämpfen haben, es würden weniger Schuldgefühle aufkommen und Frauen würden sich am Arbeitsplatz nicht „beobachtet fühlen“ müssen. Folglich würden sie allgemein weniger Druck spüren. Diese Erleichterung fördert wiederum das Wohlbefinden und führt zur schnelleren physischen Genesung. So würde der Teufelskreis – Schmerzen à Fehlen à Schuldgefühl à Schmerzen –, in den viele Mitarbeiterinnen gelangen, behoben werden. Diese Veränderung könnte dann wiederum zu einer erhöhten Produktivität der Mitarbeiterin führen, weil sie den Rest des Monats motivierter arbeiten würde. Um es kurz und knapp zu fassen – es sollte einleuchten, dass eine Frau, die sich nicht vor Schmerzen krümmt, eine bessere Mitarbeiterin ist.

Die Einführung einer „Menstrual Leave Policy“ könnte aber auch größere Wellen schlagen und einen positiven Einfluss auf das Arbeitsumfeld des Unternehmens, sowie die Gesellschaft an sich haben. Unternehmen hätten durch eine solche Regelung die Möglichkeit dem Thema „Regelschmerzen“ mehr Raum, aber auch mehr Gewicht zu geben, wodurch Mitarbeiter automatisch sensibilisiert würden. Das könnte wiederum zu einem besseren und kollegialerem Arbeitsklima führen, das einen offeneren und respektvolleren Umgang unter den Kollegen hinsichtlich des Krankseins aufgrund von Regelschmerzen fördern könnte. Dies wäre ein wichtiger Schritt das Stigmata und die Tabuisierung dieses Themas in der Gesellschaft langsam abzubauen und würde zu einem offenen Diskurs beitragen. Solch ein Austausch würde auch dazu führen, dass die Menstruation einer Frau am Ende auch wieder für ein Zeichen bzw. Instrument optimaler Gesundheit und Vitalität steht und der Periode damit den positiven Ruf verleihen, der ihr eigentlich zusteht – anstatt sie weiterhin mit Scham und Schwäche zu verbinden.

Nun bleibt nach diesen Feststellungen eigentlich nur noch eine Frage offen: Warum gibt es solch eine „Menstrual Leave Policy“ nicht schon längst? Natürlich muss man immer beide Seiten der Medaille betrachten und leider gibt es auch einige Argumente, die gegen jene Einführung sprechen. Darüber wollen wir in unserem zweiten Teil näher drauf eingehen, der hier demnächst erscheinen wird.

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